St. Nikolaus Kirche

Nikolaus, der Schutzheilige der Kaufleute, hat unserer Kirche den Namen gegeben. Nicht von ungefähr, denn der ganze Ort verdankt Entstehung und Wachstum der alten Heer- und Handelsstraße, die über einen Gebirgssattel Nürnberg-Coburg-Saalfeld-Leipzig miteinander verband. Es würde hier zu weit führen, die vielen Verbindungen und Beziehungen Ort – Straße aufzuzeigen, von den Vorspanndiensten bis zur Posthalterei, von den Durchreisen und Übernachtungen Dr. Martin Luthers 1518 und 15 50 bis zum Durchzug von 50000 Franzosen im Oktober 1806 zur Schlacht bei Jena und dessen Folgen. Die Anfänge des kirchlichen Lebens in Judenbach liegen weithin verborgen. Sicher ist nur, dass hier schon vor dem Ausgang des 14. Jahrhunderts die Kapelle St.Niklas stand, die im Jahre 1455 zu einer Kirche erweitert wurde (nach einer handschriftlichen Chronik von Nikol Heß). Bis zum 20. März 1660 war Judenbach Kaplanat der vom Benediktinerkloster Mönchröden gestifteten Pfarrei Oberlind. An jene Zeit erinnert die noch gut erhaltene alte Messglocke, die bis heute als Taufglocke in Gebrauch ist. Ein anderer alter Zeuge aus jener Zeit ist ein Abendmahlskelch, ebenfalls noch im Gottesdienst benutzt. Er besteht aus Kupfer mit starker Vergoldung, in außerordentlich kunstvoller Form, mit dem Bild des Gekreuzigten in feinstem Goldstich. Die Inschrift: „K. Jüdenbach 1645″. Der Griff des Kelches erweitert sich zur Doppelrose mit sechs Knäufen, auf denen die Initialen IHSMAR (Jesus Maria) stehen. Von der 1455 erbauten Kirche ist wenig über Aussehen, Größe oder Bauart bekannt. Aus alten Kirchrechnungen wissen wir nur, dass sie im Anfang ein geschindeltes, später beschiefertes Dach hatte und einen niedrigen Turm, in dem sich zwei mit Ketten versehene Glocken befanden. Im Laufe der Jahrhunderte war dieses Gotteshaus baufällig geworden. Es wurde 1705 abgebrochen und durch ein neues Gebäude, unsere jetzige Kirche, ersetzt. Die alte Baurechnung ist bei den Pfarramtsakten noch erhalten und gibt uns interessante und merkwürdige Dinge zu lesen. So zum Beispiel die 80 Taler Spende von der Kaufmannschaft in Nürnberg, die 24 Taler Kollekte in Coburg und dann besonders die 38 Taler, acht Groschen, vier Pfennige, “so hat Clauß Steiner von Steinbach zu Hamburg colligirt und herausgeschickt“. Dazu kamen 193 Taler, die “in beyden Wirths-Häußern“ gesammelt wurden. Anderes Geld kam vom Konsistorium in Coburg, von Neufang, Steinach, Sonneberg usw. Es ist schon merkwürdig, wenn ein Steinbacher für Judenbach in Hamburg sammelt, und auch eine derartige Wirtshauskollekte dürfte ziemlich einmalig sein.
Auch bei den Ausgaben fallen seltsame Posten ins Auge. Ein Beispiel für viele: Das ganze Bauholz hat sage und schreibe neun Taler und einen Pfennig gekostet, und von den Hunderten von Fuhren ist nicht eine berechnet. Alle Ausgaben, Inbegriffen solche “vor Bier und Brodt, Eßen und Trincken“ kamen auf nur 1338 Taler, 15 Groschen, 10 Pfennige. Zur Erlangung der Patenta, der Erlaubnisurkunden, mussten eine ganze Reihe von “Supplicen“ ausgearbeitet und viele Wege gemacht werden. Bittschriften gingen nach Neustadt, Coburg, Saalfeld, Gotha, Nürnberg, Dessau, Hamburg usw. Natürlich wurde den Gönnern und Gebern manches verehrt, von Fischen und Vögeln bis zu einem „Glaß Padell, darinnen der Sect gewesen“.
Danach wurde die neue Kirche im Innern geschmückt, und 1707/08 schuf der Bildhauer Georg Kauffmann zu Coburg den Taufengel. Dieses noch verhältnismäßig gut erhaltene Holzschnitzwerk mit seinen nackten Armen und Beinen und dem gewaltigen Faltenwurf ist heute noch in Gebrauch. Derselbe Bildhauer hatte beim Bau der Kirche auch die Kanzel in der Südostecke geschaffen, eine Holzschnitzarbeit von künstlerischem Wert. Besonders gut gelungen sind die Figuren der Evangelisten. Auf der Kanzelbrüstung stehen zwei Engel und halten den Kurfürstenhut mit dem Kreuz darüber und der Taube darunter. Leider erhielt auch die Kanzel mit ihren schönen geschnitzten Figuren mehrere Farbanstriche, so dass der ursprüngliche Eindruck verloren ging. Neben den 1730 von dem “Bürger und Kunstmaler Johann Naundorff aus Oberg“ (Sonneberg) ausgeführten 40 Empormalereien in den Brüstungsfeldern – gut erhaltene Bilder der Heilsgeschichte – muss das Juwel unserer Kirche erwähnt werden: die 1729 von Margarethe Häuerin aus Nürnberg gestiftete spätbarocke Orgel, mit durchbrochener Schnitzerei eingefasst und von ausgezeichneter klanglicher Schönheit.
Gründliche Bauarbeiten in den Jahren 1884 und 1895 sahen unter anderem die Erneuerung des Außenputzes vor sowie den Austausch des morschen und engen Treppenhauses an der Westseite durch ein Neues und geräumiges. Vorher waren noch, um mehr Licht zu bekommen, an derselben Westseite zwei neue halb ovale Fenster durch die einen Meter starke Mauer gebrochen worden. Die Erneuerungsarbeiten umfassten weiterhin Instandsetzung des Tonnengewölbes und der die Emporen tragenden Säulen, Verlegung der Orgel von der Ost- nach der Westseite sowie Verlegung von Altar und Kanzel in den nun wesentlich geräumigeren Altarraum. Die südwestliche Empore wurde verlängert. Alle diese Maßnahmen wirkten sich positiv auf die Akustik aus. Die Arbeiten standen unter der Leitung von Architekt Maurer aus Sonneberg. Die Einweihung der in neuer Schönheit erstandenen Kirche fand am 11. August 1895 statt; die Kosten der Erneuerung betrugen rund 5000 Mark.
In den folgenden Jahrzehnten bis weit nach dem zweiten Weltkrieg musste man sich darauf beschränken, das Notwendigste zu erhalten. Erst in letzter Zeit konnte die Kirchgemeinde darangehen, die vielen Schäden in Ordnung zu bringen und eine gründliche Überholung und Erneuerung ihrer Kirche in Angriff zu nehmen. Das war möglich durch eine außergewöhnliche Spendenfreudigkeit vieler Gemeindemitglieder. Im Jahre 1966 begann die Renovierung. Das Kirchenschiff bekam ein neues, bequemes Gestühl. Geschmackvolle bunte Glasfenster lieferte die Kunstglaserei Ernst Kraus in Weimar. Die alten Emporentreppen wurden ganz erneuert und verlegt. Eine moderne Infrarotheizung kam in die Kirche. Die alte klangvolle Orgel erfuhr eine gründliche Überholung. Restaurator Hermann Müller aus Plauen (Vogtland) frischte den Prospekt auf und malte ihn neu aus. Vorher hatte der gleiche Kunsthandwerker der Kanzel, den Emporen und dem Taufengel zu farbiger Pracht und goldenem Glanz verholfen. Auch das Äußere des Kirchengebäudes bekam ein schöneres und gepflegteres Aussehen. Der wenig schöne Vorbau von einst wurde beseitigt und der Eingang der Kirche zweckmäßig neu gestaltet.
Mit diesem Anblick grüßt jetzt die Kirche zu St. Nikolaus an der alten Handelsstraße die motorisierten Nachfahren der Kaufleute von einst.

St. Nikolaus Kirche Judenbach
Alte Handelsstraße
96524 Föritztal OT Judenbach